Auf der Suche nach einem weiteren schönen Weitwanderweg verschlägt es uns nach Irland. Die Auswahl an Weitwanderwegen ist auf der grünen Insel relativ groß. Wir haben also die Qual der Wahl und entscheiden uns für den Wicklow Way südlich von Dublin. Das Internet verspricht eine abwechslungsreiche Landschaft aus dichten Wäldern, sanften Hügeln, Mooren und weiten Ausblicken über Seen und Täler. Man soll Irlands raue Schönheit hautnah erleben können. Wir sind gespannt.
Dublin empfängt uns im Regen, was uns heute noch nicht stören soll, aber es wäre schon schön, wenn sich in den nächsten Tagen die Sonne blicken lassen würde.
Im Flughafenbus geht es nach Arklow. Ausgespuckt werden wir an dieser Bushaltestelle.

Immerhin blauer Himmel, aber: Der Anschlussbus ist nicht angeschlagen. So Fahrplanschilder werden einfach überbewertet. Laut Reiseleiter Google soll der Bus viermal am Tag fahren und in eineinhalb Stunden kommen. Da haben wir noch Zeit für den Afternoon-Coffee mit Scones und Marmelade.
Mit Puffer gehen wir zurück zur Bushaltestelle, sind schon ein bisschen unsicher, ob die Linie 800 wirklich kommen wird und siehe da: Mit einer Pünktlichkeit, die wir bei der deutschen Bahn schmerzlich vermissen, fährt ein Büsschen ein, das uns nach Aughrim bringt.

Von hier aus haben wir geplant, die 9 Kilometer zum Einstieg des
Wicklow Ways (wir machen ihn in umgekehrter Richtung und steigen später ein) mit dem Taxi zu fahren. Taxi? Da muss die gute Dame von der Rezeption erstmal nachfragen, ob das möglich ist. Es geht. Zum Glück. Alles andere wäre blöd gewesen, weil Busse fahren ab hier nicht mehr.


Ein Restaurant suchen wir vergeblich. Es gibt keins in Aughrim. Lediglich eine Imbissbude mit nassen Außenplätzen kann fürs leibliche Wohl sorgen. Nach den Fish and Chips dann ein Guiness zum Nachtisch. Pubs gibt es sogar zwei im Ort.


Etappe 1: Von Aughrim nach Glendamure
Als wir in Schottland unterwegs waren, haben wir mehrfach erlebt, dass 15 Minuten DEN Unterschied machen. Eine Tischreservierung für 18 Uhr? Auf keinen Fall. Aber 17.45 Uhr ist möglich. Damals haben wir über die Viertelstunde mehrfach den Kopf geschüttelt. Hier ist es ähnlich. Das Taxi kann nicht um 9.30 Uhr kommen, nur um 9.15 Uhr. Frühstück um 8.15 Uhr. Leider nicht, aber um 8.30 Uhr.
Wir sind um 8.25 Uhr im Frühstücksraum, 45 Minuten für ein gemütliches Urlaubsfrühstück sind ja arg knapp, aber es dauert. Uns beiden fehlte ein bisschen die Geduld, dem netten Herrn beim Langsamsein zuzuschauen. Wir waren beide versucht zu sagen: Komm, ich brat mir die Eier selber, aber das geht natürlich nicht.
Wurde dann alles was knapp, der Taxifahrer wartete bereits und brachte und zur Iron Bridge, wo wir mit unserer Wanderung starten wollten. Der Taxifahrer wurde nicht müde, das gute Wetter zu loben. Schauer könnte es vielleicht geben, aber kein Regen. Interessant, wie der Ire Regen definiert.

Die Luftfeuchtigkeit ist auf jeden Fall hoch, es ist neblig. Ob es einen Panoramablick hätte geben können, können wir nicht sagen, da die Sicht anfangs unter 200 Metern war. Hatte irgendwie auch was, mystisch irisch eben. Eine Landschaft wie aus Herr der Ringe. Dazu wirklich absolute Ruhe. Auf der gesamten Strecke begegnen uns zwei Wanderer. Ansonsten ist keine Menschenseele zu sehen.



In der Heide treffen wir irische Heidschnucken. Sie weisen uns den Weg.

Später reißt es auf, sodass wir das Panorama der Wicklow Mountains endlich sehen können.

Kleine Hindernisse gab es auch. Hier muss wohl vor nicht allzu langer Zeit ein schwerer Sturm gewütet haben. Gleich mehrere Bäume liegen uns im Weg, aber zum Glück wurde eine Umleitung eingerichtet.

An den Bäumen hängt hier das Moos wie Lametta.

In der Ferne sehen wir schon unser Ziel. Die Glenmalure Lodge. Dort angekommen gönnen wir uns Apfelkuchen mit Vanilleeis, den haben wir uns nach 14 Kilometern und 1300 Höhenmetern verdient.





Etappe 2: von Glendamure nach Glendalough
Nach einem leckeren (heute auch schnelleren) Frühstück starten wir mit einem Umweg. Gleich in der Nähe gibt es nämlich einen „geheimen“ Wasserfall. Ein Hinweisschild fehlt absichtlich, sonst wäre der Ort ja nicht geheim, aber die Dame aus dem Hotel hat uns genau beschrieben, wie wir laufen müssen.


Zurück auf dem Wicklow Way wandern wir heute größtenteils auf bequemen Forstwegen, zwischendurch gibt es schöne Aussichten auf Wasserfälle oder Seen.



Die erste Hälfte der Strecke sind wir wieder alleine unterwegs, aber kurz vorm Ziel müssen wir den Weg mit anderen teilen. Der See scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein, auch mit dem Auto erreichbar.


Einen Höhepunkt gibt es noch ganz zum Schluss. Wir laufen durch die Ruinen der Glendalough Cathedral, die im 12. Jahrhundert errichtet wurde und die größte Kirche der Klosterstadt Glendalough war. Die zerbrochenen Mauern, auf denen heute Moos wächst, lassen erahnen, das dieser Ort einst ein geistliches und kulturelles Zentrum gewesen ist. In der Klosteranlage, die auf den Heiligen Kevin zurückgeht, wurde einst gebetet und gefeiert. Unser Hotel liegt gleich gegenüber, vom Zimmer können wir das Portal sehen



Einchecken wollen wir um 14.45 Uhr. Das ist nicht möglich, erst um 15 Uhr. Das sind sie wieder die geheimnisvollen 15 Minuten.
Das Hotel hat auf Google gerade mal eine 2,4 als Bewertung. Normalerweise würden wir ein solches Hotel meiden, aber bei einer Wanderung durchs Nirgendwo darf man nicht wählerisch sein und letztendlich ist es besser als gedacht. Zum Essen gibt es sogar Livemusik mit bekannten Liedern. Wir hätten mitsingen können. Allerdings in einer anderen Sprache.
3. Etappe: von Glendalough nach Roundwood
Die Etappe heute soll eigentlich nur 10 Kilometer lang sein, aber letztendlich sind es doch knapp 15 Kilometer. Wir stellen insgesamt fest, dass die Kilometerangaben hier eher Richtlinien sind. Allerdings haben die Richtlinien System: Es sind immer mehr Kilometer als angegeben.



Der erste Teil der Strecke ist sehr schön. Der Pfad ist abwechslungsreich. Mal wandern wir über grüne Wiesen, die wir uns mit den wolligen irischen Bewohnern teilen. Mal führt der Weg durch wirklich dunkle Wäldern. Zwischendurch gibt es panoramareiche Abschnitte, dann geht es durch die blühende Heide. Der Wind begleitet uns. Im Tannenwald ist das Rauschen mit einer Autobahn vergleichbar. Schon erstaunlich, wie laut die Natur sein kann.



Der letzte Abschnitt führt durch eine Häuseransammlung, die hier als Ort durchgeht. Leider wird der Wicklow Way dann zur Straße, auf der Autos fahren. Das ist ein bisschen schade, zumal die Unterkunft heute auch nicht direkt am Weg liegt. Bis zum Ort sind es 2,5 Kilometer, die könnten morgen hart werden.


Das Abendessen im Pub schmeckt vorzüglich. Zum zweiten Mal in diesem Jahr speisen wir in einem „vom Michelin Guide empfohlenen Restaurant“


4. Etappe: von Roundwood nach Enniskerry
Die Ostküste Irlands hat nur 150 bis 180 Regentage pro Jahr. Es ist hier deutlich trockener als im Westen mit 220 bis 250 Regentagen im Jahr. Für eine mehrtägige Wanderung war der Osten also gut gewählt. Drei trockene Wandertage zu haben, war eigentlich schon überdurchschnittlich gut, aber natürlich bestand die Hoffnung oder der Wunsch, dass an Tag 4 die Regenklamotten weiterhin im Rucksack bleiben würden, aber es sollte anders kommen.
Beim Frühstück und beim Packen wird getrödelt, weil es draußen ziemlich nass ist.





Es nützt ja alles nichts: Irgendwann müssen dann doch los. Ein Taxi bringt uns zum Einstieg. Gestern mussten wir vom Wicklow Way noch zweieinhalb Kilometer laufen, um zur Unterkunft zu kommen. Da die Strecke heute laut Karte 20 Kilometer sein soll, wählen wir die Taxianfahrt.

Wir können den Weg heute nur erahnen. Was wir sehen, sieht schön aus, aber leider sehen wir nicht alles. Die Sicht ist denkbar schlecht und es ist richtig nass. Obwohl wir bei der Anschaffung der Regenklamotten ordentlich investiert haben, ist schnell alles (wirklich alles!) nass, auch weil der Wind kräftig pustet.



Immerhin wird es am Nachmittag freundlicher, sodass wir halbwegs trocken Eniskerry erreichen, wo wir unsere Wanderung planmäßig beenden.


Brombeerhecken säumen den gesamten Wicklow Way. Dreieinhalb Tage habe ich gedacht, dass die Beeren einfach nicht schmecken können, weil die Sonne fehlt. Bei der letzten Pause habe ich dann gedacht: Ich muss jetzt doch mal probieren, wie sauer die sind. Sie waren nicht sauer, sondern sehr lecker. Dass Früchte nur durch Sonne süß werden, ist offenbar ein Irrglaube. Schade, dass ich nicht vorher probiert habe.

Insgesamt haben uns die vier Tage auf dem Wicklow Way gut gefallen. Schade fanden wir, dass sowohl Roundwood als auch Enniskerry nicht direkt am Weg liegen. Um zum Weg beziehungsweise zum Ort zu kommen, ist jeweils ein längerer Marsch an der Straße erforderlich.
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